Andres hat sein Ziel erreicht: Nach zwei Jahren in einer begleiteten Wohngruppe der Vivazzo Stiftung in Tann lebt er heute wieder selbstständig in seiner eigenen Wohnung. Seine Erfolgsgeschichte zeigt, wie wichtig unterstützende Wohnformen sind und welche Chancen sie bieten. Wie es ihm in der begleiteten WG ergangen ist und was er an seiner neuen Wohnung geniesst, erzählt er im folgenden Text.
Begleitete Wohngruppen bieten Menschen mit Beeinträchtigungen ein sicheres, wertschätzendes und förderndes Umfeld, in dem sie ihre Selbstständigkeit entwickeln und soziale sowie hauswirtschaftliche Fähigkeiten ausbauen können. «In der begleiteten Wohngruppe machen die Bewohnenden alles selber: Kochen, Waschen, Putzen, Aufräumen etc.», erklärt Pascy Wagner, Bereichsleiterin Wohngruppen der Vivazzo Stiftung. In Angeboten wie Wohnheimen seien diese Aufgaben teils oder ganz ausgelagert. Weitere Unterschiede zu einem Heim sind die kleineren Gruppen an Bewohnenden und die Teilzeit-Begleitung. So wird in Wohnheimen meist eine 24h Betreuung angeboten, die Betreuungspersonen der begleiteten WGs sind hingegen normalerweise nur am Nachmittag und Abend vor Ort, bieten aber einen 24h Pikettdienst an.
Andres Zeit in der WG
Andres kam vor drei Jahren in die WG Weide in Tann. Zuvor hatte er bereits zehn Jahre allein gelebt, durch sein Krankheitsbild brauchte er jedoch eine Phase der Stabilisierung und Unterstützung. «Mir gefiel sofort, dass man in der WG Weide nicht eingeschränkt wurde. Klar gab es Termine wie die WG-Sitzungen zweimal monatlich, an denen man teilnehmen musste, ansonsten war man aber ziemlich flexibel und nicht fremdbestimmt», erklärt Andres. Davor sei er noch in einem Wohnheim gewesen, was ihm gar nicht gefallen habe.
Brigitte Stahl, Fachfrau Betreuung WG Weide, erinnert sich schmunzelnd an die Anfangszeit zurück: «Andres war zu Beginn ein Minimalist, was den Haushalt betrifft. Jedoch hat er seine Aufgaben immer pflichtbewusst erledigt». Die hauswirtschaftlichen Strukturen haben Andres dann auch laut eigenen Aussagen besonders geholfen: «Ich habe im Bereich Haushalt und Kochen viel von der begleiteten WG profitieren können. Damals habe ich immer am Dienstag geputzt, und auch heute in meiner eigenen Wohnung ist Dienstag mein Putztag».
Übergang in die Selbstständigkeit:
Andres hatte immer das Ziel, wieder alleine und selbständig zu leben. Nachdem er sich im Rahmen der begleiteten WG stabileren konnte, war das Finden einer neuen Wohnung eine grosse Schwierigkeit. «Jetzt wohne ich seit einem Jahr alleine und bin sehr zufrieden mit der Wohnung» erzählt Andres. Brigitte erinnert sich: ‚Als er die Wohnung bekam, hat er sich richtig gefreut. Danach hatte ich das Gefühl, dass sein Selbstwertgefühl gestiegen ist – er wirkte sehr zufrieden und glücklich auf mich». Zur Schwierigkeit der Wohnungsfindung für Menschen mit einer IV-Bescheinigung sagt Pascy Wagner: «Auch wenn sich gesellschaftlich viel getan hat, ist die Stigmatisierung nach wie vor da. Eine IV hat vielschichte Gründe und muss nicht mit auffälligem oder störendem Verhalten einhergehen». Sie würde sich wünschen, dass die Toleranz und das Wissen weiter steigen, immerhin werden in der Schweiz rund 250’000 Invalidenrenten ausbezahlt[1].
Begleitete Wohngruppen als Erfolgsmodell
Andres‘ Erfolg zeigt, wie wichtig begleitete Wohngruppen sind. «Zum einen sind sie ein Hafen für Menschen in unstabilen und herausfordernden Lebenslagen, zum andern ein Sprungbrett in die Selbständigkeit», erklärt Pascy Wagner. In unseren WGs leben vor allem Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und Einschränkungen. Damit man in einer begleiteten WG leben kann, braucht es neben dem Nachgehen einer Tagesstruktur auch Fähigkeiten wie selbständiges Aufstehen und eigenverantwortliche Körperpflege. Jedes Jahr würden Bewohnende die WGs in Richtung Selbständigkeit verlassen. In Bezug auf die Zeit in der WG sei es wichtig, dass diese den Menschen Lebensqualität geben. So freuen Pascy Wagner Geschichten, wie wenn zwei Menschen, die durch ihr Krankheitsbild Mühe mit sozialen Bindungen haben, sich in unseren WGs anfreunden und dann gemeinsam Ausflüge unternehmen».
Ziele für die Zukunft
Heute blickt Andres voller Zuversicht in die Zukunft. Er geniesst es, seine eigenen vier Wände zu haben und lädt oft Freunde zum gemeinsamen Fussballschauen oder Poker spielen ein. Dann wird auch gerne zusammen gekocht: Schnitzel, Frühlingsrollen und Filet im Teig habe es schon gegeben. Auf die Frage, was er anderen Bewohnenden von begleiteten WGs auf dem Weg in die Selbständigkeit raten würde, antwortet Andres: «Die Ämtli gut erledigen, da gibt es viel zu lernen.» Ausserdem solle man sich Kochfähigkeiten aneignen, das bringe einem viel fürs Leben. «Mich hat die Zeit in der begleiteten WG gut auf die Selbständigkeit vorbereitet, ich habe jetzt eine viel bessere Ordnung als früher, wo ich alleine gelebt habe.»
Sein nächstes Ziel sei es, eine schöne Reise zu machen: «Bald gehe ich zelten mit einem Kollegen, an einen Bergsee» Danach möchte er wieder einmal ins Ausland, am liebsten nach San Diego, Kalifornien.
Severin Kolb, Marketing & Kommunikation Vivazzo Stiftung
Informationen zum Wohnen in einer Wohngemeinschaft